Auftakt Forum Klimapartner
Nachhaltige Transformation in Deutschland – ein Gespräch mit Dr. Wolfgang Gründinger
Wolfgang Gründinger ist Chief Evangelist bei Enpal GmbH. Als waschechter Innovator unterstützt er das Startup bei der Vermietung von Photovoltaik-Dachanlagen. Mit dem Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichts ist die Politik nunmehr in der Pflicht, den Zubau von Solaranlagen in den nächsten Jahren mindestens zu verdoppeln. Wir sprechen darüber, was jeder Einzelne tun kann und wie wir die Sparkassen bei der Energiewende unterstützen können.
Warum Forum Klimapartner?
„Wir bei S-Kreditpartner verstehen uns nicht nur als Möglichmacher und Innovator innerhalb der Sparkassen-Finanzgruppe. Wir möchten auch als S-Klimapartner die Sparkassen unterstützen.“, eröffnete Lars M. Heitmüller, Leiter Marketing und Kommunikation, die erste Ausgabe der digitalen Eventreihe.
„Die menschengemachte Erderwärmung ist zur zentralen Herausforderung unserer Gesellschaft geworden –was können wir tun um uns zu schützen?“, erläutert SKP-Geschäftsführer Jan Welsch, zur Zielsetzung des Forum Klimapartner. „Unser Ziel ist eigenes aktives Entgegenwirken sowie die Unterstützung der Sparkassen bei Erreichung der Klimaschutzziele. Wir möchten die Kundinnen und Kunden finanziell begleiten. Dafür erarbeiten wir zurzeit unsere Nachhaltigkeitsagenda und haben das Eventformat Forum Klimapartner ins Leben gerufen, dessen Ziel die Vertiefung der Vernetzung in der Sparkassen-Familie und gegenseitige Unterstützung ist.“
Kommunikation in einer vernetzten Gesellschaft
„Das Zeitalter der digitalen Vernetzung hat mit der Ausbreitung des World Wide Web begonnen – seitdem ist die Zivilgesellschaft deutlich erstarkt. Eine Bewegung wie zum Beispiel Fridays for Future wäre ohne digitale Vernetzung nicht möglich gewesen.“, leitet unser Gast Dr. Wolfgang Gründinger seinen Vortrag ein. Er ist seit 20 Jahren im Auftrag des Klimaschutzes aktiv und hat als Lobbyist und Publizist mit den Schwerpunkten Energiepolitik, Generationengerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Digitalisierung mehrere Bücher veröffentlicht.
Klimaschutz darf keine Frage der individuellen Moral bleiben
„Was kann jeder Einzelne tun und was brauchen wir in der Klimapolitik? Bei einem Vortrag vor einigen Jahren fragte ich das Plenum, wem die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder am Herzen liege und erhielt zustimmende Rückmeldung. Doch die Tatsache, dass wir uns für gute Menschen halten und gut handeln wollen führt nicht dazu, dass wir dies auch tun.“, so Gründinger weiter. „Ein Beispiel dafür ist ein Experiment der Princeton University (New Jersey) aus 1970: Theologiestudenten wurden zu einem Vortrag zum Thema Nächstenliebe und Hilfe in Not eingeladen. Auf dem Weg dorthin brach ein hilfsbedürftiger Mann zusammen und erfuhr Hilfe von 63 Prozent der Studenten. Beim zweiten Versuch mit einer Vergleichsgruppe wurde Zeitdruck erzeugt: Die Gruppe musste sich auf dem Weg beeilen – es halfen nur 10 Prozent. Gutes Verhalten ist demnach eine Frage der äußeren Umstände. Ob wir uns umweltbewusst verhalten hat wenig mit unserem Wissen zu tun. Ich nenne dieses Verhalten das Hätte-Könnte-Sollte-Paradox. Obwohl wir wissen, dass Stromproduktion aus Kohle bzw. Gas dem Klima schadet wechselt nur eine Minderheit zu alternativer Stromerzeugung. Auch wenn das Fliegen klimaschädlich ist nutzen wir Flugzeuge. Ähnliches gilt für die Massentierhaltung: 80 Prozent wollen bessere Bedingungen in der Tierhaltung, doch nur zwei Prozent kaufen Biofleisch und vegetarische Alternativen machen insgesamt nur drei Prozent aus. Solange Klimaschutz eine Frage der individuellen Moral bleibt kommen wir nicht weiter.“
Der Widerspruch im Gehirn
Gründinger führt weiter aus, dass unsere Debattenkultur sich ändern müsse. Die Frage müsste lauten: Was ist mit DEINEM Stromverbrauch/Reiseverhalten/Lebensmittelkonsum? Wir können hier von kognitiver Dissonanz sprechen: Einem Widerspruch im Gehirn, der es uns erlaube, den eigenen Alltag unverändert fortzusetzen. „WIR müssen handeln“ bedeute: WER genau? Gemeint seien WIR ALLE. Das wäre aus seiner Sicht das Problem, da eine Fragmentierung der Verantwortung herrsche. Wenn der andere nicht handele sei es eine bequeme Entschuldigung für jeden selbst, nicht zu handeln. In der Politikwissenschaft spreche man von der Logik des kollektiven Handelns: Alle profitierten von einem stabilen Klima auch wenn sich nur wenige für dessen Schutz einsetzten.
Raubbau auf den Osterinseln
„Mehr als 100 Moai-Steinstatuen stehen auf der kargen Insel im Pazifik, auf der seinerzeit die wenigen Ureinwohner bei Ankunft der ersten Europäer ein verarmtes Dasein führten.“, fährt Gründinger in seinem Vortrag fort. „Individuelle Logik führte zum Untergang der Kultur der Ureinwohner. Warum? Die Ureinwohner rodeten den einst reichen Wald, um die Statuen bauen zu können. Rivalisierende Stämme wollten immer weitere Statussymbole um sich gegenseitig übertrumpfen zu können – je weniger Wald es gab umso wertvoller wurden die Statuen. Als der Wald keine Nahrung mehr hergab wurden die Einwohner zu Fleischessern. Sie rotteten zunächst die Delfine aus, dann die Landvögel, die Seevögel und wurden schließlich zu Kannibalen. Am Ende war die Bevölkerung durch Hungertod und Stammeskriege zu 90% dezimiert.“
Klimaschutz muss Spaß machen
Aktiver Klimaschutz müsse nach Gründingers Auffassung sichtbar sein. Handeln müsse einfach sein, niedrigschwellige Barrieren ließen sich leichter überwinden, führt er weiter aus. Und es müsse Spaß machen, um die Menschen zum Mitmachen zu animieren. Ein Beispiel dafür wäre Enpal, das erste grüne Unicorn (Unicorns sind Startups mit einer Bewertung von mind. 1 Mrd. US$): Die Anschaffung von Solaranlagen würde durch Enpal denkbar einfach gestaltet: Kunden zahlten einen monatlichen Mietpreis und bekämen dafür quasi einen Rundum-Sorglos-Tarif, da Enpal sich um Förderanträge, den Einbau, die Verträge mit den Netzbetreibern und die Versicherung kümmere. Zum Vergleich: Im Gründungsjahr 2017 hätte Enpal 40 Anlagen gebaut, heute seien es 40 Anlagen pro Tag.
Eine Reduzierung der CO2-Emissionen ist nicht ausreichend
„Mit den Worten von Bill Gates formuliert: Wir verbrauchen weltweit im Jahr 51 Gigatonnen CO2/Treibhausgase. In 30 Jahren müssen wir diesen Wert auf Null reduziert haben um den Klimanotfall abzuwenden. Die gelebte Mission „Einsparung“ ist für dieses große Ziel nicht mehr ausreichend.“, resümiert Gründinger. „Auf Verbraucherebene sehe ich eine Vorbildfunktion der Politik, die es den Menschen ermöglicht, bei Energie, Ernährung und Mobilität aktiv klimafreundlich zu handeln. Auf Unternehmens- bzw. Wirtschaftsebene sehe ich u.a. eine aktive Vernetzung und die Unterstützung von Klimaschutzorganisationen/Plattformen als zielführendes Engagement.“
Das nächste Forum Klimapartner findet am 30.11.2021 statt. Wir freuen uns auf die Berlin Hyp AG.