Das Thema Meinungsfreiheit wird nicht erst seit der Coronakrise immer wieder diskutiert. Haben sich die Grenzen des Sagbaren in den letzten Jahren verschoben? Welche Rolle sollte der Journalismus bei der Meinungsbildung einnehmen und wie weit darf die Meinungsfreiheit in Zeiten der Pandemie gehen? Diese und weitere Fragen diskutierten am 15. Dezember im SKPlab am Berliner Gendarmenmarkt zwei Menschen, die beide wie nur wenig andere für Meinungs- und Pressefreiheit stehen:  Der Politiker Wolfgang Kubicki und der Journalist Deniz Yücel. Moderiert wurde die Veranstaltung von Lars Heitmüller, Leiter Marketing und Kommunikation bei S-Kreditpartner.

Über die Talkgäste

Wolfgang Kubicki, FDP-Vize und Vizepräsident des Bundestags hatte im vergangenen Jahr eine viel beachtete Rede zum Thema Meinungsfreiheit gehalten, die eine öffentliche Debatte anstieß. In seinem neuen Buch “Meinungsunfreiheit” widmet er sich dem Problem des “gesellschaftlichen Unmuts” zur Diskussion, der die Meinungsfreiheit seiner Ansicht nach bedrohe.

Der Welt-Korrespondent Deniz Yücel saß rund ein Jahr wegen angeblicher “Terrorpropaganda” in der Türkei in Untersuchungshaft. Seine Inhaftierung löste eine Solidaritätskampagne aus, die über alle Medien und politischen Grenzen hinweg unterstützt wurde.

Wie diskutieren wir heute?

Kubicki verweist auf eine Studie des Allenbach-Instituts zur Meinungsfreiheit in Deutschland. So habe ein Großteil der Bevölkerung das Gefühl, sich nicht frei zu bestimmten Themen äußern zu können. Der Staat und seine Institutionen schütze die Meinungsfreiheit zwar, erläutert der FDP-Politiker, jedoch würden die neueren Entwicklungen in der medialen Landschaft, insbesondere die sozialen Medien, dazu beitragen, dass sich viele Menschen in einer Filterblase befänden. Laut Kubicki seien nicht mehr bereit, Fakten anzuerkennen, die die eigene Meinung widerlegen könnten. Schuld daran sei auch eine moralisierende Haltung im Journalismus die dazu führe, dass die “richtige” Meinung immer wichtiger werde.

Auch  Yücel stellt fest, dass sich die Art, wie wir Debatten führen, geändert habe. So gebe es heute größere Empfindsamkeit und eine “Empörungsbereitschaft”, die sich durch alle politischen Lager ziehe. Wichtiger als die Feststellung, dass Debatten heute emotionaler geführt werden, sei jedoch die Frage, wie die betroffenen Institutionen damit umgehen. Es sei ein großes Problem, dass diese sich einschüchtern und von den Diskussionen treiben ließen.

Bei dieser Gelegenheit lassen Kubicki und Yücel noch einmal die Debatten um Meinungsfreiheit Revue passieren, die in der letzten Zeit geführt wurden. Von den Diskussionen rund um das “Umweltsau”-Kinderlied des WDR über die Ausladung Lisa Eckerharts von einem Literaturfestival bis hin zu Jan Böhmermanns Schmähgedicht über den türkischen Präsidenten Erdoğan zeige sich die Unfähigkeit verschiedenster Institutionen, mit Empörung umzugehen, glaubt Yücel.

Kubicki sieht ein Kernproblem der Debattenkultur darin, dass der Respekt auf der menschlichen Ebene fehle. Zwar seien auch früher Debatten hart geführt worden. Die heftigen Streits im Bundestag zwischen dem SPD-Politiker Herbert Wehner und dem CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß liefern dafür ein gutes Beispiel. Im Unterschied zu heute hätten die damaligen Politiker jedoch zwischen der menschlichen und beruflichen Ebene unterscheiden können: Man habe sich im Bundestag gestritten und sei dann anschließend etwas trinken gegangen.

Meinungsfreiheit in der Corona-Krise

Mit Blick auf die Coronakrise betont Kubicki, wie wichtig der offene Diskurs über die getroffenen Maßnahmen sei. Folgt man dem FDP-Politiker müsse mit Menschen, die Verschwörungstheorien anhängen, nicht diskutiert werden. Viele Bürger, die den Maßnahmen kritisch gegenüber stehen, könnten jedoch mit einer offenen Debatte erreicht und einbezogen werden. Auch für Yücel ist klar, dass die Öffentlichkeit mehr in die Debatte miteinbezogen werden müsse, die derzeit vor allem zwischen Politik und Wissenschaft stattfinde.

Zum Abschluss der Gesprächsrunde äußern Kubicki und Yücel noch ihre Wünsche für die nächste Zeit. Für Wolfgang Kubicki wünscht sich vor allem realistische Ziele bei der Bekämpfung der Pandemie. So könne dafür gesorgt werden, dass mehr Bürger mit den Maßnahmen einverstanden wären. Deniz Yücel denkt hingegen langfristiger und spricht die Hoffnung aus, dass Deutschland in Zukunft zwar die öffentlichen Debatten nicht hinter sich lassen werde, die heutigen Streitpunkte jedoch mit einem Mehrwert eingeordnet werden können.

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Über das SKPlab
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Foto: Stefan Escher | agentur one